Neben der Frage nach der richtigen Kamera, beschäftigt die Frage nach dem richtigen Objektiv unheimlich viele Menschen. In zahlreichen Foren wird tagtäglich nach der richtigen Antwort gefragt, auch ich bekomme immer wieder diese Frage gestellt.

Gibt es die eine korrekte Antwort?

Nein, die gibt es nicht. Auch wenn das viele nicht glauben/wünschen, es ist aber so. Das Warum versuche ich nachfolgend zu erklären.

Nehmen wir an, du willst ein neues Objektiv. Wenn du ganz genau wüsstest, wofür du es benötigst, welcher Bildausschnitt dir zusagt, welches Bokeh dir gefällt, dann würdest du nicht nach dem passenden Objektiv fragen. Du könntest die Entscheidung treffen, ohne dich absichern zu wollen. Du könntest nach Alternativen fragen, oder selbst danach suchen und alle Möglichkeiten vergleichen.

Nun bist du dir aber selbst unsicher. Welche Brennweite soll es sein? Was will ich denn eigentlich fotografieren? Welches Objektiv verwendet man denn üblicherweise für die gewünschten Motive? Zoom oder Festbrennweite? Welcher Hersteller? Ist es scharf genug?

Schnell ist die Frage in einem Forum oder einer Facebook-Gruppe gestellt. Das Ergebnis ist, dass nun jeder sein Lieblingsobjektiv (!) vorschlägt. Das sind Antworten, die dir nicht helfen. Die Entscheidung wird also noch schwieriger.

Eine passende Antwort zu geben, ist unmöglich. Ich weiß, was ich fotografieren möchte und weiß daher vorher schon, wie das Foto aussehen soll und was ich dafür benötige. Ein anderer würde dasselbe Motiv aber ganz anders fotografieren – vermutlich auch mit einem anderen Objektiv. Niemand kennt die Vorlieben und die Herangehensweise des Fragestellers und genau das macht es auch so schwierig, bei der Objektiv-Wahl zu helfen.

Wie finde ich das passende Objektiv für mich?

Zuerst musst du dir überlegen, welche Motive du fotografieren möchtest und welcher Objektiv-Typ hierfür passend sein könnte:

  • (Super)Weitwinkel-Objektiv (< 40mm): Landschaft, Architektur, Innenräume
  • Normal-Objektiv (40-60mm): Portrait, Reportage
  • Tele-Objektiv (> 60mm): Tier, Sport
  • Makro-Objektiv: Nahaufnahmen

Die Schwierigkeit dabei: Das sind Richtwerte. Man kann natürlich ein Teleobjektiv in der Landschaftsfotografie einsetzen. Viele setzen jedoch gerne auf ein Weitwinkel-Objektiv. Ein pauschales „So ist es richtig“ gibt es nicht.

Ein kleiner Tipp am Rande: Wenn du dir hier unsicher bist, dann suche dir auf Flickr, 500px und anderen Fotoplattformen Fotos heraus, die dem entsprechen, was du dir vorstellst und sieh dir einfach die verwendeten Brennweiten an. Dieses Vorgehen liefert dir zwar keine Lösung, hilft dir aber auf jeden Fall bei der Einschränkung des Objektivtyps weiter.

Hat man den passenden Objektiv-Typ gefunden, gibt es insgesamt drei Varianten, das richtige Objektiv zu finden:

  1. Wenn du glaubst, ein Objektiv zu brauchen, kaufe es. Im Gebrauch bekommst du ein Gefühl dafür und lernst, ob du es brauchst oder nicht. Falls es nicht zum Einsatz kommt, kannst du es ja verkaufen. Aber bedenke, dass sich – gerade wenn man am Lernen ist – vieles ständig verändert und ein möglicher Verkauf eventuell zu früh stattfand und man später merkt, dass man dieses Objektiv doch gebraucht hätte.
  2. Borg dir das gewünschte Objektiv (oder zumindest ein Objektiv mit der gewünschten Brennweite) für einige Tage aus und teste es. Viele Fotogeschäfte bieten dieses Service gegen einen günstigen Betrag an. Teilweise wird dieser Betrag bei einem Kauf gegengerechnet. So bekommt man ein recht gutes Gefühl ob das Objektiv passt – und das bei einem überschaubaren Preis.
  3. Fotografiere so lange wie möglich mit dem Equipment, das dir zur Verfügung steht. Erst wenn du mehrfach merkst, dass du ein bestimmtes Objektiv brauchst, um das Foto wie gewünscht, machen zu können, dann weißt du, welches Objektiv dir tatsächlich fehlt. Hier geht es dann nur mehr um den Hersteller und wie viel Geld du ausgeben möchtest.

Diese Fragen solltest du dir stellen

Möchtest du dir auf jeden Fall ein neues Objektiv gönnen (manchmal möchte man sich ja auch einfach nur belohnen), dann stelle dir aber vorher diese Fragen:

  • Was möchte ich fotografieren und mit welcher Brennweite bekomme ich das von mir gewünschte Aussehen?
  • Welche Offenblende soll das Objektiv haben und welches Gewicht ist für mich in Ordnung?
  • Wie scharf muss mein Objektiv sein und ist eine maximale Schärfe bei meiner Verwendung überhaupt notwendig?
  • Von welchem Hersteller soll das Objektiv sein und wie viel Geld kann ich insgesamt ausgeben?
  • Soll es ein Zoom-Objektiv oder eine Festbrennweite sein?
  • Sind Blendensterne für mich interessant und somit die Anzahl an Blendenlamellen?
  • Möchte ich Filter verwenden und ist ein entsprechendes Filtersystem für das gewünschte Objektiv vorhanden?

Ich empfehle dir, diese Fragen unbedingt zu klären, bevor du irgendetwas in Richtung Objektiv-Kauf unternimmst.

Testberichte und Co.

Testberichte sind eine Sache für sich. Grundsätzlich muss man hier zwischen gekaufte Tests (also Werbung), Meinungen und technische Tests im Labor entscheiden.

Gekaufte Tests sind im Grunde wertlos, da negative Aspekte natürlich nicht erwähnt werden – das will kein Hersteller, ganz klar.

Meinungen können eine bestimmte Richtung vorgeben, sind aber auch mit Vorsicht zu genießen. Sie hängen sehr von der Person ab und mit welchem Anspruch der Test durchgeführt wird und ob hier Emotionen oder Sachlichkeit zum Zuge kommt.

Schlussendlich gibt es Labortests, die harte Fakten liefern. Allerdings liefern sie keine Aussage über die Relevanz in der Realität. Randunschärfen bei Portrait-Objektiven sind in der Regel unwichtig bzw. hilfreich, lassen aber ein Objektiv mitunter schlecht abschneiden. Manche stehen auf einen ganz bestimmten Look eines Objektives, dieser kann aber nur schlecht getestet werden, da es sich hierbei um eine eher subjektive Sichtweise handelt.

Was wirklich hilft: Selbst ausprobieren. Mach Fotos mit dem Wunschobjektiv, überzeuge dich von der Bildqualität, dem Look, vom Gewicht, der Beweglichkeit der Zoom- bzw. Fokusringe, der allgemeinen Haptik und vielem mehr. Entscheide dann, ob das Objektiv für dich in Frage kommt – oder eben nicht. Gehe dafür in ein Fotogeschäft, denn nur dort hast du alle Objektive zur Hand. Sei dann so fair und kaufe auch dort.

Dieses EINE Objektiv gibt es nicht

Wir alle hätten gerne ein 12-600mm mit 500g Gewicht, einer durchgehenden Blende von 1.8 und das zu einem dreistelligen Preis. Ein solches Objektiv ist physikalisch nicht möglich. Jedes Objektiv hat Vor- und Nachteile, keines kann für alle Anwendungsfälle ein optimales Ergebnis liefern.

Man muss also die Objektive finden, die zur eigenen Fotografie und den eigenen Anforderungen passen.

Fazit

Ich weiß, dass du eine andere Antwort auf deine Frage haben wolltest, aber nur so findest du wirklich das zu dir passende Objektiv. Setze dich damit auseinander, teste, warte bis es nicht mehr anders geht und du sparst dir eine Menge Geld.

Update:
2023-03-01: Überarbeitung Text, Korrekturen und neue Verlinkungen