Genau das geben immer wieder Fotograf*innen (oder solche, die es werden/sein möchten) von sich. Sie lehnen die Bearbeitung ihrer Fotos ab und kritisieren oftmals diejenigen, die ihre Fotos mit diversen RAW-Entwicklern und Bildbearbeitungsprogrammen verbessern. Fotos müssen Out-of-Cam sein. Aber was steckt denn nun dahinter?
Der Anspruch
Dieser besteht in der Schaffung eines Fotos, das schon so perfekt aufgenommen ist, dass man es sofort zeigen kann und keine Manipulation notwendig ist. Das betrifft Belichtung, Farbgebung, Bildausschnitt, Perspektive, Motiv, die Vermeidung von störenden Elementen und alles was eben zu einem guten Bild dazugehört.
Das ist auch grundsätzlich eine legitime Herangehensweise, die wohl von den meisten verfolgt wird. Aber viele möchten einfach mehr machen. Möchten alles ausschöpfen, was ihre Fotos noch weiter verbessert. Und auch das ist legitim.
Fotografie umfasst alle Facetten von Dokumentation bis hin zur Kunst und niemand soll anderen vorschreiben, wie sie zu fotografieren haben. Und schon gar nicht, was jeder mit seinen gemachten Fotos anstellen darf.
Aber wie ist das mit den unbearbeiteten Fotos, so quasi aus der Kamera?
Die analoge Realität
Ich muss ja zugeben, ich habe keine Fotografie-Lehre vor Jahrzehnten gemacht und habe die analoge Filmentwicklung nie wirklich gelernt. Ich entwickle Filme, mache das aber nur zum Spaß und sehr laienhaft. Was ich aber schon gelernt habe, ist die Erkenntnis, dass sowohl bei der Negativ-Entwicklung, als auch bei der Positiv-Entwicklung auf das Ergebnis Einfluss genommen werden kann und das natürlich auch genutzt wird (teilweise ob man möchte, oder nicht).
Das alles beginnt ja bereits beim Film. Welchen Film verwende ich? Welche speziellen Eigenschaften hat dieser? Belichte ich unter, belichte ich über? Pushe ich? Mit welchem Entwickler arbeite ich? Selbst mit Kaffee und Waschsoda kann man einen Film entwickeln. Das Ergebnis ist dann eben ein wenig anders, als es bei den anderen Entwicklern ist. Jeder hat andere Eigenschaften.
In der Positiventwicklung macht man zum Beispiel einen Abzug, vergrößert also das Negativ und bringt es zu Papier. Bei der Vergrößerung kann man nun bestimmte Ausschnitte des Negativs wählen und muss es nicht 1:1 abbilden. Damit kann das Motiv gerade gerückt und zum Beispiel im Goldenen Schnitt platziert werden. Auch können z.B. durch Neigung des Vergrößerers stürzende Linien begradigt werden. Einzelne Stellen kann man abwedeln oder nachbelichten.
Gibt es also ein unbearbeitetes analoges Foto? Nein.
Die digitale Realität
Wenn wir uns der Digitalfotografie zuwenden, dann verwenden wir hier keinen Film, sondern arbeiten mit einem Sensor. Ganz grob formuliert, kann dieser zwei unterschiedliche Ergebnisse liefern: ein JPEG und/oder eine Datei in einem RAW-Format.
Wie die meisten wissen, unterscheiden sich die beiden Formate an der Anzahl der vorhandenen Informationen. Aber wenn man sich beide ansieht, unterscheiden sie sich auch visuell. Das JPEG sieht meist wesentlich kontrastreicher und farbintensiver aus. Ein eindeutiges Zeichen dafür, dass die Kamera die beiden Formate unterschiedlich behandelt und somit in das jeweilige Ergebnis eingreift.
Die meisten Kameras bieten die Möglichkeit, die Aufnahme zu beeinflussen. Es kann das Kontrastverhalten, die Farbintensität etc. eingestellt werden. Fujifilm bietet hierfür sogar Filmsimulationen an. Diese Einstellungen finden Anwendung auf die generierten JPEGs (ganz abgesehen von der Kompression, die JPEGs im Gegensatz zu RAW-Dateien viel kleiner werden lässt). Auch in der Kamera durchgeführte Objektivkorrekturen finden ihre Anwendung und ihren Weg ins JPEG.
Wie sieht das nun mit den RAW-Dateien aus? Dabei wird ja immer gerne von den Rohdaten gesprochen. Also den tatsächlich vom Sensor abgegriffenen Daten. Je nachdem, um welche Sensor-Architektur es sich handelt, müssen die vom Sensor gelesenen Informationen durch Filter gejagt werden. Dabei werden beispielsweise Farben ausgetauscht. Davon abgesehen muss ohnehin in den angegeben Farbraum konvertiert werden. Das sind natürlich alles Änderungen, die am Bildmaterial vorgenommen werden und die auch jeder Hersteller etwas anders macht.
In beiden Fällen muss man also sagen: Ja, die Fotos werden durch die Kamera verändert und somit bearbeitet.
Fazit
Wie wir bei der näheren Betrachtung gesehen haben, gibt es unbearbeitete Fotos einfach nicht. Daher ist die Diskussion ob jemand seine Fotos bearbeitet oder nicht und ob das gut oder schlecht ist, komplett irrelevant. Auch „Out of Cam“-Fotos, welche ja von einigen Puristen als Non-Plus-Ultra dargestellt werden, sind bearbeitet. Wer also gegen eine Bearbeitung von Fotos ist, der muss mit der Fotografie aufhören. So einfach.
Diese Argumentation von wegen “ In der analogen Fotografie wurde auch schon immer retouchiert “ oder “ die Filmauswahl ist auch eine Bildverarbeitung “ finde ich sehr suspekt. Da wird intuitives Arbeiten auf enormer Erfahrungsbasis mitbein paar klicks am PC gleichgestellt.
Mag sein, dass man bei der analogen Photographie auch auf gestalterische oder stilistische Muttel zurückgreifen muss. Jedoch wäre dies nicht ohne die nötige Erfahrung im Umgang mit diesen Mitteln möglich.
Ich lese diesen Vergleich immer und immer wieder und muss jedes mal Schmunzeln. Wenn es doch das selbe ist dann fordere ich den Schreiberling doch gerne dazu heraus das ganze zu beweisen. Wenn es doch das selbe ist müsste es ja kein Problem sein von jetzt auf gleich die digitale Photographie gegen die analoge einzutauschen in die gleichen Ergebnisse zu produzieren?!
Hallo, vielen Dank für dein Feedback.
Mein Beitrag nennt Gründe, womit analog und digital das Ergebnis beeinflusst wird. Dadurch führt er auf das logische Resultat, dass OutOfCam IMMER eine bereits zuvor beeinflusstes/bearbeitetes Ergebnis ist und es eine Unverfälschtheit nicht gibt, worauf sich manche ja so gerne berufen.
Inwieweit für einzelne Tätigkeiten Erfahrung in welchem Ausmaß notwendig ist, bespricht der Artikel gar nicht. Auch die Austauschbarkeit wird nicht beschrieben.
Viele Grüße, Norbert
Vielen Dank für den tollen Artikel, natürlich bearbeite ich Bilder meiner Kunden. Ich habe den Anspruch Bilder abzuliefern die begeistern.
Einen Gedanken möchte ich noch hinzufügen, ein Bild was keine Emotionen zeigt wird durch die Bearbeitung nicht besser.
Die wichtigste Challenge, die ein Fotograf zu bewältigen hat, ist eine positive Grundstimmung zum Kunden aufzubauen. Dann, und nur dann entstehen fantastische Bilder.
Wenn dann noch in der Post-Produktion optimiert wird sind wir auf einem sehr guten Weg.
Hallo, neugierig bleiben neues ausprobierenn ist das schönste in Leben.
Darum habe ich beschlossen weg von RAW und Bayer-Sensor hin zu X-Trans-Sensor und JPG.
So eben gekauft: Fujifilm X-T20 + das Buch: 22 JPEG-Rezepte für Fujifilm X-Kameras – mit JPG einzigartige Bildlooks erzeugen . Weniger Zeit an PC und mehr Zeit für das Fotografieren u.a.
mit Filmsimulationen. Grüssle und gutes Licht Jens.
Da empfehle ich Dir ganz besonders (und natürlich völlig uneigennützig) Folge 23 (ganz besonders für die Fujijaner) und Folge 40 vom Studio Kreativkommune Podcast: https://studio.kreativkommune.org/podcast 🙂
Für mich ist Bildbearbeitung in den meisten Fällen Bildoptimierung und selten Bildmanipulation, wobei ich mir diese als künstlerische Freiheit herausnehme.
Wer seine Fotos nicht bearbeitet, hat einfach schlechte Bilder.
Diese Pauschalisierung finde ich schwierig. Zudem wirft sie auch wieder Fragen nach der Definition von „bearbeitet“ auf. Ist das Setzen von jpeg-Parametern vor der Aufnahme eine Bearbeitung?
Es gab in der analogen Fotografie Bilder, welche, einmal aufgenommen, nicht mehr bearbeitet werden konnten. Maximal VOR der Aufnahme war eine Beeinflussung auf das fertige Bild möglich. Ich denke da nur an all die Kodachrom-, Ektachrom- und XYZchromfilme die in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts belichtet wurden; die Bilder, oder genauer gesagt Dias, waren deswegen nicht alle per Definition schlecht.
„Wer Fotos bearbeitet, kann nicht fotografieren!“ – Wer so etwas sagt, sollte besser den Mund halten, er hat nämlich null Ahnung vom photographischen Handwerk!
So kann höchstens einer reden, der mit der analogen Photographie noch nie in seinem Leben in Berührung gekommen ist.
Für Hobbyfotografen und private Fotos ist das ja völlig okay wenn sie sich etwas darüber profilieren wollen, dass ihre Bilder ja so gut sind dass sie keine Bildretusche brauchen 😉
Auch wenn es etwas naiv ist zu sagen, man lehnt Bildbearbeitung komplett ab. Denn das geht ja von bis und fängt wie du ja richtig sagst bei der eigenen Kamera an, über RAW Entwicklung bis hin zu der „eigentlichen“ Bearbeitung in Photoshop & Co, die die meisten meinen.
Wobei das für den professionellen Bereich eigentlich irrelevant ist, denn da wird IMMER bearbeitet, egal wie gut das Foto ist. Da MUSS das Bild eine top Qualität haben damit dann daran weitergearbeitet wird. Was retuschiert wird und warum, das variiert natürlich enorm aber gemacht wird immer etwas 😉
Beste Grüße von einer High End Retoucherin,
Ich wäre vorsichtig mit Schubladen, die zudem wieder Schwierigkeiten in den Definitionen aufbringen:
– Was genau ist der „professionelle Bereich“?
– Kann man all diese Bereiche (von Endkunden-Portraits bis Hochglanz-Anzeige) in einen Topf werfen?
– Wo fängt „Bearbeitung“ an? Sind nicht die jpeg-Regler/Profile in der Kamera auch schon eine Bearbeitung?
Der „out of cam“ Begriff ist sehr dehnbar. In der Folge https://studio.kreativkommune.org/040-die-out-of-cam-jpeg-fotografie/ hatte ich mich mit Peter Müller auch darüber unterhalten und auch für ihn heißt nicht, dass ooc _komplett_ unbearbeitet wäre …
Naja irgendwie muss man das einordnen.
In dem Fall habe ich mit Profi Bereich tatsächlich große Werbekunden etc gemeint, aber auch schon Projekte wie Corporate Portraits oder selbst Webshop Bilder.
Und ich wette es gibt auch kaum noch einen Endkunden Portrait Fotografen, der die Bilder unretuschiert rausgibt, mal ganz abgesehen davon dass das fast alle Kunden verlangen.
Wenn man dann unter „Bearbeitung“ auch noch Kamera Profile oder die stinknormale RAW Entwicklung versteht gibt es quasi keine unbearbeiteten Bilder, das ist eine Illusion.
Viele Grüße
Wenn man einen realistischen Ansatz in Bezug auf „Bearbeitung“ fährt, dann finde ich die Grenzziehung schon schwierig. Wenn es für Puristen so ist, dass alles, was abseits der komplett unangefassten jpegs aus der Kamera fällt, Bearbeitung ist, dann bin ich bei Dir. Im kommerziellen Bereich müssen in einer gewissen Weise die Bilder irgendwie mal von der reinen, uneingegriffenen Kameraeinstellung losgelöst werden. Wie stark — da ist die Bandbreite unterschiedlich. Während für meinen Großteil der Arbeit sich die gesamte Retusche eigentlich auf Beschnitt und Pickel entfernen beschränkt (ganz vielleicht mal dodge & burn, aber auf den Rest wird bei/vor der Aufnahme geachtet und ich habe meiner Kamera mitgeteilt, welche Entwicklungseinstellungen ich haben will), habe ich auch mal was, wo wir uns über 2% mehr oder weniger im Magenta-Anteil in Fläche XY unterhalten … Dafür gibt es eben auch 2 Gründe: a) ich hasse Photoshop und b) bezahlen die wenigsten Kunden für EBV (schon gar keine Endkunden). Also muss man auch schon unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten den Aufwand möglichst klein halten … 😉
Hallo Maxi, du sprichst mir aus dem Herzen. Kein Bild verlässt mein Office bevor ich es mit viel Liebe und ohne Frequenztrennung oder ähnlichem Firlefanz, möglichst natürlich und non-destruktiv zu dem mache was ich und meine Kunden lieben.
Der Meinung meines Vorredners schließe ich mich gerne an. Wer die Werke von August Sander kennt, weiß, wie schon zur Zeit der analogen Bildentwicklung retuschiert wurde. Manch ein Bild, wie wir es heute sehen, wäre ohne Retusche nie bekannt geworden.
Ganz liebe Grüße. Michael
Seitdem es die Fotografie gibt, wird heftigst retuschiert — von Beauty bis zur russischen Propaganda. Und wer selbst RAW Entwicklung ablehnt, der/die sollte sich https://petapixel.com/2013/09/12/marked-photographs-show-iconic-prints-edited-darkroom/ mal anschauen. Auch ein gutes ooc jpeg ist ja nicht uneditiert. Man hat nur die Entwicklungseinstellungen im Vorfeld festgelegt …