Zumindest für mich. Ich habe einige Beiträge hier im Blog, die sich um die analoge Fotografie, Vintage-Objektive, Entschleunigung usw. drehen. Sie alle habe ich aus tiefster Überzeugung geschrieben und dennoch entgleitet mir die analoge Fotografie. Ich verwende noch sehr gerne meine alten Objektive, aber ich greife einfach nicht mehr zu meinen Filmkameras. Und das, obwohl ich Schwarzweiß-Filme sowohl negativ, als auch positiv entwickeln kann. Warum ist das so?

1 Umwelt

Zur Entwicklung der Filme braucht es unter anderem Entwicklerflüssigkeit. Diese besteht in der Regel aus einer dieser Komponenten: p-Aminophenol (z.B. Agfa Rodinal), p-Methylaminophenolsulfat (Neofin, Ultrafin), p-Methylaminophenolsulfat (Kodak TMax). Alle diese Stoffe sind schädlich für die Umwelt und müssen an einer spezialisierten Sammelstelle entsorgt werden.

Filme bestehen aus Tri-Acetat oder Polyester mit einer Fotoemulsion, die aus Silberchlorid, Silberbromid, Silberiodid oder dergleichen besteht. Alles schädlich für die Umwelt.

Ich sehe schon die Frage auf mich zukommen: „Aber was darf man denn dann überhaupt noch? Ist doch alles schädlich!“. Es geht mir nicht darum, alles zu verbieten und keinem mehr seinen Spaß zu lassen. Für mich persönlich, ist es aber eine Möglichkeit, meine ganz persönliche Umweltbelastung zu reduzieren. Andere Fotografierende fahren kein Auto und erlauben sich diesen Spaß.

Canon FTb QL

2 Kosten

Sieht man sich die Preisentwicklung der letzten Jahre an, dann ziehen die Preise stark an. Gerade bei den Klassikern bewegt es sich preislich ordentlich nach oben. Natürlich sprechen wir hier mittlerweile von einem Nischenprodukt und wie wir wissen, nimmt man hier gerne Premiumpreise.

Zu den Kosten des Films selbst muss natürlich auch noch die Entwicklung bezahlt werden. Das macht man entweder selbst und muss dafür in Chemikalien, Ausrüstung und Zeit investieren, oder man überträgt die Aufgabe an ein Labor und bezahlt denen einen Obulus.

Auch die Gebrauchtpreise für analoge Kameras und Vintage-Objektive steigen stark an. Wer gutes Zeug haben möchte, muss immer tiefer in die Tasche greifen.

Tendenziell wird der Spaß immer teurer und wenn die Muse nicht stimmt, dann rechnet sich der Spaß einfach nicht.

3 Die Mär von der Entschleunigung

Eine analoge Kamera, eine begrenzte Anzahl an Fotos und kein Display. Schon ist sie geboren, die Mär von der Entschleunigung. „Komm runter“, „fotografiere analog“, verkaufen viele und auch ich hab das Lied der Achtsamkeit geträllert. Die Idee dahinter hat aber nichts mit der analogen Fotografie zu tun. Es geht schlicht um das Thema Einschränkung. Limitiere dich in deinen Möglichkeiten und befreie dich daraus durch Steigerung deiner Kreativität.

Packe eine kleine Speicherkarte in deine Kamera, klapp dein Display zu oder klebe es ab und schon bist du mit dabei, im Klub der entschleunigten Achtsamkeitsanbeter. Kein Grund, sich mit altem Zeug einzudecken, den man dann ohnehin nicht regelmäßig einsetzt.

4 Aufwand

Für manche versprüht das Entwickeln seinen positiven Reiz. Für sie ist genau das der Grund für die noch betriebene analoge Fotografie. Mir bringen die Momente, bis man dann bei der Positiventwicklung die ersten Schemen und schlussendlich das gesamte Bild erkennt, nichts. Das war ganz am Anfang beim manuellen Entwickeln so, hat sich dann aber nach der Zeit verflüchtigt. Übrig blieb für mich der damit verbundene Aufwand, den ich so nicht investieren möchte. Diese Zeit investiere ich dann doch lieber wieder in die aktive Fotografie.

Zudem muss man ja auch seine analoge Filmsammlung geordnet bekommen. In der digitalen Welt vergibt man schöne Stichwörter und die Suche fällt einfach. Da wird die Verwaltung der Filmstreifen schnell aufwändiger.

Analoge Kamera, Canon FTb QL
Canon FTb QL

5 Absurdität „Geplanter Medienbruch“

Und wo wir gerade beim Thema Aufwand sind: Hier kommt noch ein wenig Absurdität hinzu. Analog fotografieren, um die Fotos digital auf Social Media zu veröffentlichen. Nun ja, das kann man schon tun, denn es ist möglich, aber der Sinn erschließt sich mir nicht.

Wir kennen sie alle, die Diskussionen über den Leica-Look und den was-weiß-ich-für-Look. Bei der Gegenüberstellung mehrerer Fotos kommt die Erkennungsrate über eine zufällige Verteilung ohnehin nicht mehr hinaus. Beim Film gab es aber zumindest Menschen, die bei Körnung, Kontrasten und Co. tatsächlich den verwendeten Film bestimmen konnten. Meine Hochachtung. Aber wer kann das nach dem Einscannen und Bereitstellen in minderer Qualität auf Instagram noch beurteilen? Niemand. Und das nimmt meiner Meinung auch den ganzen Sinn hier heraus. Gerade dabei geht es schlicht um „das hab ich bitte analog fotografiert“, um sich erhöht darzustellen. Passt zu Social Media, ist aber sinnbefreit (und auch gar nicht nachprüfbar).

Fazit

Ich mag alte Kameras und Objektive und könnte (wenn ich mich nicht sehr zurückhalte) eine richtige Sammlerleidenschaft ausleben, um mir mein ganzes Büro mit altem Fotozeug voll zu stellen. Gerne bastle ich auch daran herum (wenn ich die Chance sehe, tatsächlich etwas zu verbessern), aber ich habe eben aufgehört, aktiv mit den Kameras zu fotografieren. Ich habe noch einige Filme zu Hause und kann noch ein paar Runden selbst entwickeln. Danach ist allerdings Schluss damit. Der Reiz ist dahin und die Frage nach dem Sinn nicht ausreichend zu beantworten.