„Gibst du unbearbeitete Fotos raus?“ bekomme nicht nur ich immer wieder gefragt. Diese Frage findet man auch in vielen Gruppen und Foren. Wann immer man Fotos für jemanden macht (dabei spielt es keine Rolle ob privat oder professionell), liegt diese Frage im Raum.
Nachfolgend findest du meine drei Gründe, warum ich nur bearbeitete Fotos hergebe/zeige und alles andere hinter verschlossenen Riegeln bleibt oder überhaupt gelöscht wird.
Qualität sicherstellen
Nicht alle meine Fotos sind gut. Ich behaupte sogar, dass die Mehrheit meiner Fotos nicht gut sind und aussortiert werden müssen. Eine genaue Auswertung habe ich noch nicht gemacht, aber der Prozentsatz liegt wohl über 90%. Übrig bleiben dann einige richtig gute Fotos und ein paar recht ansehnliche. Die guten und ansehnlichen Fotos werden von mir bearbeitet und veröffentlicht/hergegeben.
Wonach entscheide ich, welches Foto gut ist? Wie lauten die Kriterien?
- Emotion. Je nach Motiv ist dieser Punkt mehr oder weniger relevant. Bei diversen Feiern mag man beispielsweise technische Aspekte hinten anstellen, weil ein Foto unheimlich viel Emotion ausstrahlt und deswegen besonders ist. Da stört es meiner Meinung nach auch nicht, wenn es vielleicht nicht auf den Punkt scharf ist. Vielfach wird der emotionale Aspekt dadurch sogar gefördert.
- Technik. Abgeschnittene Hände, geschlossene Augen, schlechte Bildkomposition, unscharfe Motive uvm. sind Mängel, die sich oft auch durch eine Bearbeitung des Fotos nicht korrigieren lassen. Ein schlechtes Ausgangsmaterial zu bearbeiten liefert dann leider oft doch nur ein schlechtes fertiges Produkt.
- Ähnlichkeit. Wenn es schnell gehen muss, werden oft viele Fotos desselben Momentes aufgenommen. Die Fotos ähneln sich so ungemein, dass es wenig sinnvoll ist, alle zu bearbeiten. In diesen Fällen suche ich das beste Foto aus, alle anderen werden aussortiert.
Kann das Foto die obigen Kriterien nicht erfüllen, lohnt sich auch der Bearbeitungsaufwand nicht. Ergo gibt es keine Veröffentlichung.
Vorzüge hervorheben
Wenn du ein Auto verkaufst, wäscht und putzt du es vorher. Du willst es im besten Licht erstrahlen lassen und hebst alle Vorzüge hervor.
Genauso kannst du es auch bei deinen Fotos machen. Hast du die Fotos mit „Fehler“ aussortiert, dann bleiben die guten Fotos übrig. Indem du dessen Vorzüge nun erkennst und entsprechend herausarbeitest, verbesserst und optimierst du sie. Dabei kannst du sie beschneiden und das Motiv besser ins Szene setzen, Farben und Kontraste anpassen, oder die Helligkeit anpassen.
Du schaffst somit Fotos, die ansehnlicher und interessanter sind. Dazu musst du allerdings in RAW fotografieren, damit du die Bearbeitung selbst bestimmen kannst (anstatt dies der Kamera zu überlassen). Weitere Details dazu in Wer Fotos bearbeitet, kann nicht fotografieren.
Fertigkeiten/Stil/Persönlichkeit vermitteln
Zeigst du ein Foto öffentlich, dann zeigst du deine Fertigkeiten und gibst etwas über deine Persönlichkeit preis. Warum also nicht das Optimum aus deinen Fotos herausholen, sondern diese tolle Möglichkeit verschwenden, zu zeigen, was du drauf hast?
Dabei geht es nicht ausschließlich um den monetären Aspekt, sondern darum, wie du dich und deine Fertigkeiten präsentierst.
Ein Beispiel: Möglicherweise ist es für dich irrelevant, ob (d)ein Strandfoto einen schiefen Horizont hat Vielleicht ist es für dich schön, wie es ist. Der Betrachter erkennt aber darin nur die Faulheit des Fotografen, den Horizont korrekt auszurichten. Das ist eine Arbeit von wenigen Sekunden und zeigt, dass dir auch Details wichtig sind. Zudem hebt das deine Fotos von den vielen Millionen und Milliarden Schnappschüssen ab.
Zudem entwickelt man über die Zeit einen ganz eigenen Stil, Fotos zu entwickeln und Motive zu präsentieren. Das ist ein ganz wesentliches Merkmal und entscheidet darüber, ob Fotos gefallen oder nicht und – für alle, die Fotografie professionell betreiben – ob du als Fotograf für Kunden in Frage kommst.
Du kennst nun meine Einstellung zum Thema Fotos bearbeiten ja/nein. Ich bin eindeutig dafür, die Gründe stehen oben. Ich kann dir nur raten, über deinen ganz persönlichen Qualitätsanspruch an die Fotografie nachzudenken. So oder so wird dich das wieder einen Schritt weiterbringen. Gerne kann ein bereits definierter Anspruch jederzeit überdacht und angepasst werden.
Hast du dir dazu bereits Gedanken gemacht? Wie gehst du mit diesem Thema um? Hinterlasse mir doch bitte einen kurzen Kommentar mit deiner Sichtweise. Danke!
Viel Spaß weiterhin mit der Fotografie und ständig gutes Licht!
PS: Ich verwende für die Entwicklung/Bearbeitung meiner Fotos folgende Werkzeuge: Adobe Lightroom Classic, Adobe Photoshop, Skylum Luminar und Affinity Photo.
Ich fotografiere in RAW und mache aus einer Aufnahme mein Bild.
RAWs herausgeben – niemals!
Ein RAW rauszugeben, ist nie ein Thema.
„Dazu musst du allerdings in RAW fotografieren, damit du die Bearbeitung selbst bestimmen kannst (anstatt dies der Kamera zu überlassen).“
Ähm. Nein. Einfach nein. Seltsam, dass sich dieses Märchen so hartnäckig hält …
Mein Beitrag https://norberteder.photography/wer-fotos-bearbeitet-kann-nicht-fotografieren/ beschreibt das auch so, dass Profis damit klar kommen
Dieser Link macht Deinen eingangs zitierten Satz ja in keiner Weise richtiger. So wie er da für sich steht, ist er faktisch falsch. Zu dem Thema verweise ich sehr gerne auf die jpeg-Bilder und die Ausführungen meines Gastes in dieser #Podcast Episode: https://studio.kreativkommune.org/040-die-out-of-cam-jpeg-fotografie/
Dann musst du schon ausführen, was genau du faktisch falsch empfindest. Bisher hast du das ja nicht getan.
Nur weil ich in jpeg fotografiere, überlasse ich die Bearbeitung doch nicht der Kamera, sondern bestimme sie noch immer selbst. Gerade (aber nicht nur) bei den Fujikameras entscheide ich doch über jeden einzelnen Parameter der jpeg Umwandlung selbst, nur habe ich diesen Prozess-Schritt hier an den Anfang und nicht an das Ende gesetzt, so wie ich bei der analogen Fotografie den grundlegenen Look durch die Wahl von Film und Entwickler vor der Dunkelkammer festgelegt habe. Genau wie in der analogen Dunkelkammer kann ich an den fertigen jpegs auch noch problemlos bei höchster Qualität dodge & burn (Abwedeln und Nachbelichten) und Neubeschnitt machen, unter der Voraussetzung natürlich, dass ich meine Einstellungen im Vorfeld vernünftig und die Belichtung ordentlich durchgeführt habe. Zweifelsohne gibt es Situationen, in denen RAW mehr Sinn machen kann und es ist sicherlich weise, jpeg und RAW gleichzeitig zu schießen, aber trotzdem kann das jpeg Ergebnis genau so kontrolliert auf eine Speicherkarte gebracht werden, wie eine RAW Datei. Die Frage ist, wann welches Tool sinnvoller ist, aber bei mir sind 90% der fertigen Aufnahmen auf Basis der jpeg Dateien und nicht der RAWs. Dadurch hat sich meine Bildbearbeitung um mehr als 400% verkürzt. Zeit, die einen kein Kunde bezahlt und die man mit sinnigeren Sachen verbringen kann. Klar, es gibt Leute, die Bildbearbeitung lieben, und die sollen das natürlich gerne machen dürfen. Aber der Satz von Dir stimmt in der Allgemeingültigkeit einfach nicht.
Gut, jetzt weiß ich, was genau du meinst.
Man kann gewisse Einstellungen in der Kamera treffen. Allerdings nicht in jeder Kamera in der gleichen Ausprägung und auch nicht in der Genauigkeit, wie das in der RAW-Entwicklung im Nachgang möglich ist. Damit kommt man vielleicht in die Nähe dessen, was man wirklich erreichen möchte, kommen. Für manche mag das ausreichen weil sie nicht mehr benötigen. Manche sind auch mit einer Filmsimulation (wie es sie unter Fujifilm gibt) und JPG als Ausgabeformat zufrieden. Das ist ja grundsätzlich auch in Ordnung.
Natürlich kann man ein JPG auch bearbeiten, sind ja schließlich Bildinformationen. Das mag für einige Bereiche auch ausreichend sein. Aber es macht eben einen Unterschied, ob du 8bit Farbtiefe zur Verfügung hast, oder 14bit. Und wenn du eben alles aus dem Bild herausholen möchtest, dann eigenen sich 14bit Farbinformationen einfach besser.
Ich gebe dir recht, dass meine Aussage hier zu allgemein gehalten ist und werde das nachbessern. Ich bleibe aber grundsätzlich dabei, dass es in einigen Bereichen (siehe Landschaftsfotografie) unablässig ist, in RAW zu fotografieren.
Ganz falsch ein Foto ist nicht gut wenn man es nacharbeiten muss, dann ist entweder der Fotograf nicht kreativ genug oder die Fotoausrüstung falsch! Alles andere ist Betrug an der Sache! Kein Foto von mir ist nachgearbeitet was ich veröffentlicht habe. Das ist aber nur meine Meinung… Wen man aber Geld mit der Fotografie verdienen muss ist es legitim.
Du bist sehr inkonsistent in deiner Aussage. Warum sollte ein Profi sein Foto nachbearbeiten „dürfen“ und ein Hobbyfotograf nicht – was hat eine finanzielle Gegenleistung damit zu tun? Was genau hat die Fotoausrüstung mit guten Fotos zu tun, fehlt es nicht an Kreativität, wenn man nicht mit jeder Fotoausrüstung perfekte Fotos machen kann? Schon der Sensor und der Chip einer Kamera manipuliert Farben, schärft nach usw. Ist nicht das auch schon Betrug? Dann müsstest du analog fotografieren, aber da gibt es unterschiedliche Filme mit unterschiedlichen Körnungen, Kontrasten, Farbwiedergaben. Alles Betrug?
Hi Norbert,
ganz deiner Meinung! Als High End Retoucher werde ich oft gefragt, warum denn nun alle Bilder mit Photoshop & Co nachbearbeitet werden und somit nicht „echt“ wären.
Dabei vergessen viele dass auch schon vor dem Einhalt der digitalen Bildbearbeitung die Realität „optimiert“ dargestellt wurde und dass in den unterschiedlichsten Bereichen.
Sei es dass Menschen sich schminken und stylen, man vorher aufräumt wenn Besuch kommt oder eben ein Produkt oder eine Person inszeniert wird für ein Werbefoto.
Natürlich gibt es hier auch viel Übertreibung à la Beautyfilter bei Instagram und Co aber da empfehle ich eh immer die ach so vermeintlich“perfekten“ Bilder nicht zu ernst zu nehmen 😉
Viele Grüße aus Hamburg,
Maxi
Hi Norbert,
sehr interessanter Artikel mit einschlägigen Argumenten für die Nachbearbeitung!
Bei mir hat sich ein etwas anderer „Workflow“ etabliert: Ich fotografiere in .jpg und .raw, benutze dabei situationsbedingt unterschiedliche Bildstile. Durch die Nachbearbeitung entstehen gewisse Einstellungen, Routinen und Vorlieben, die sich in den meisten Fotos wiedergeben. Überträgt man diese als Bildstil auf die Kamera, erhält man in 80% der Aufnahmen ein Ergebnis, das direkt aus der Kamera sehr gut zu gebrauchen ist und nur minimal nachbearbeitet werden muss.
Heute steht zum Beispiel der Besuch einer Automesse an – am Ende des Tages werden wohl einige Tausend Fotos dabei rausspringen. Jedes einzeln zu bearbeiten ist etwas utopisch, da sind die Bildstile viel wert.
Bei den meisten anderen Szenarien führt aus meiner Sicht kein Weg an der von dir beschriebenen Vorgehensweise vorbei!
Herzliche Grüße aus Reutlingen,
Moe
Hallo Moe,
vielen Dank für dein tolles Feedback. Ich muss ja gestehen, dass ich zwar hin und wieder den RAW+JPG-Modus nutze, aber ganz selten in Kombination mit einem Bildmodus (wenn, dann meist schwarzweiß). Der Ansatz, einen eigenen Bildstil, der die persönlichen Präferenzen widerspiegelt, auf die Kamera zu übertragen und damit zu arbeiten, finde ich sehr interessant.
Danke für den Tipp, das Wochenende ist gerettet 🙂
Viele Grüße,
Norbert
Vielen Dank für den guten Artikel. Auch ich sortiere und bearbeite meine Fotos. Grundsatz: Kein Foto ohne Bearbeitung!
Mit dem persönlichen Stil bei der Bearbeitung Ist das bei mir so eine Sache. Ich ertappe mich immer öfter dabei, einfach nur die Autobearbeitung (LR) oder neuerdings die AI-Bearbeitung (Luminar) anzuwenden. Ich weiß, daß dies nicht optimal ist. Aber es ist doch bequem.